Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg
50 Millionen Euro für innovative Projekte im Gesundheitsbereich
Baden-Württemberg fördert innovative Projekte aus den Bereichen Gesundheitsforschung, -wirtschaft und -versorgung mit 50 Millionen Euro. Das Forum Gesundheitsstandort vernetzt die Akteure aus den verschiedenen Bereichen und schafft einen Austausch über Ressortgrenzen hinweg.
Insgesamt 50 Millionen Euro stellt das Land für die Umsetzung von Projekten aus dem Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg für dieses und nächstes Jahr bereit. „Mit dem Forum vernetzen wir die Bereiche Gesundheitsforschung, -wirtschaft und -versorgung miteinander, schaffen Dialog und Austausch über Ressortgrenzen hinweg und fördern innovative Projekte, die aus der gemeinsamen Arbeit der vergangenen Monate entstanden sind“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Forum Gesundheitsstandort bricht Ressort-Denken auf und vernetzt Akteure
Seit dem Sommer 2018 haben sich inzwischen mehr als 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, Forschungsinstituten und Universitäten sowie Pharma- und Medizintechnikfirmen im Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg zusammengeschlossen. Gemeinsames Ziel ist es, Silo-Denken aufzubrechen und Innovationen sowohl zum Nutzen von Patientinnen und Patienten als auch zur Weiterentwicklung von Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern.
Die Teilnehmenden haben sich dabei einem der drei Themenblöcke Wissenschaft, Wirtschaft und Versorgung angeschlossen und arbeiten in entsprechenden Arbeitsgruppen und Gremien mit. Für die Koordination der Themenblöcke zeichnet wiederum das thematisch federführende Landesministerium verantwortlich: das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) für das Thema Wissenschaft, das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau (WM) für das Thema Wirtschaft und das Ministerium für Soziales und Integration (SM) für das Thema Versorgung. Die Gesamtkoordinierung des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg erfolgt durch das Staatsministerium.
Strategischer Dialog lohnt sich
„Dass sich der strategische Dialog lohnt, zeigen Zahl und Qualität der nach einem Aufruf eingereichten Projekte“, so Ministerpräsident Kretschmann. Die beteiligten Ministerien konnten aus rund 150 eingereichten Skizzen insgesamt 42 innovative Initiativen auswählen, die nun aufgefordert werden, einen Förderantrag zu stellen. Dabei verteilen sich die 50 Millionen Euro, die für die Jahre 2020 und 2021 bereitgestellt werden, nahezu gleichmäßig auf die drei Themenbereiche. „Bei der Auswahl der Projekte war es uns wichtig, dass diese interdisziplinär angelegt sind, ihr Nutzen bei den Patientinnen und Patienten ankommt und sie neue Ansätze aus Forschung und Behandlung verfolgen“, sagte der Ministerpräsident. Somit spiegle die Auswahl der Initiativen eindrücklich die Leistungs- und Innovationsfähigkeit des Gesundheitsstandorts Baden-Württemberg wider. Die Projekte reichen von personalisierter Krebsbehandlung über die Bekämpfung multiresistenter Keime in Krankenhäusern bis hin zu neuen Ansätzen im Pflegebereich.
Projektbeispiele, die zur Förderung vorgesehen sind:
Aus dem Bereich des Wissenschaftsministeriums:
Initiative Patientensicherheit Baden-Württemberg: Keine Chance für multiresistente Krankenhauskeime
Multiresistente Erreger (MRE) stellen eine der größten Herausforderungen für die Gesundheitssysteme im 21. Jahrhundert dar. Besonders die großen Universitätskliniken mit ihren hohen Zuweisungs- und Verlegungsraten sind Knotenpunkte für die Ausbreitung multiresistenter Erreger.
Mit dem Projekt wird an den vier Universitätskliniken erstmals in einem deutschen Bundesland ein landesweites Netzwerk zur Erfassung, Analyse und Kommunikation aller für MRE-Infektionen relevanten Daten etabliert, um die Bevölkerung zu schützen und den Trend der MRE-Epidemie umzukehren. Die AOK als größte Krankenkasse stellt dazu anonymisierte Daten über die Verlegung und Versorgung der Patientinnen und Patienten in allen stationären Akut- und Rehabilitationseinrichtungen des Landes zur Verfügung. Die EnBW als einer der größten Infrastruktur-Dienstleister baut eine zentrale digitale Dateninfrastruktur auf, in der die Patientenbewegungen, die Erregernachweise sowie deren Genomsequenzen gesammelt, ausgewertet und für die Netzwerkpartner bereitgestellt werden. Die SpinDiag, eine Ausgründung des Hahn-Schickard-Instituts für Mikroanalysesysteme und der Universität Freiburg, stellt ein neuartiges vollautomatisches diagnostisches MRE-Screening-Verfahren zur Verfügung, mit dem die Antibiotikaresistenzen schon innerhalb einer halben Stunde nach der Patientenaufnahme nachgewiesen werden können.
Der kognitive medizinische Assistent (KoMed) – Klinische Entscheidungsunterstützung durch künstliche Intelligenz auf höchster Datenqualität
In dem Projekt sollen bei chirurgischen Patienten alle verfügbaren klinischen Daten analysiert werden, um eine personalisierte Voraussage möglicher Risiken zu treffen. Für die Identifizierung und Validierung der Risikofaktoren für Komplikationen durch künstliche Intelligenz müssen die in der Klinik vorhandenen IT-Infrastrukturen ergänzt, neuronale Netze trainiert und längerfristige Behandlungs- und Erkrankungsdaten von Patienten und Kontrollpersonen erfasst werden. Die Mint Medical GmbH, eine Ausgründung des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, übernimmt dafür die Befundung, Integration und Verarbeitung des Bildmaterials und der klinischen Daten. Philips, weltweiter Marktführer von Patientenmonitoring-Systemen, unterstützt bei der strukturierten Speicherung der Daten für die KI-Analyse. STORZ, führender Hersteller in der Endoskopie, bietet eine am Markt orientierte OP-Systemlösung an. Die phellow seven, eine Ausgründung des Universitätsklinikums Heidelberg, sorgt mit einer mobilen und standardisierten Gesundheitsplattform für den Austausch zwischen Patienten und Gesundheitsversorgern.
Die Analyse und Entscheidungsunterstützung durch den kognitiven medizinischen Assistenten wird zu erhöhter Wachsamkeit und intensivierter Überwachung von Risikopatienten führen. Postoperative Komplikationen können so früher identifiziert und behandelt werden, was zu einer Verbesserung der Lebensqualität und höheren Überlebensraten führt. Auch für behandelnde Ärzte kann die datengestützte künstliche Intelligenz als Unterstützungssystem für die Therapieentscheidungsfindung bei den einzelnen Patienten dienen.
„Die Zukunft des Gesundheitsstandorts BW hängt ganz wesentlich an unserer Fähigkeit zur Innovation“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. „Unsere Hochschulen, Wissenschaftseinrichtungen und Uniklinika leisten hier auf ganz verschiedenen Feldern einen entscheidenden Beitrag. Ich erwarte mir spannende Ergebnisse von den jetzt startenden Projekten“.
Aus dem Bereich des Wirtschaftsministeriums:
Prädiktive Diagnostik von Krankheiten für die Personalisierte Medizin
Personalisierte, auf unterschiedliche Patientengruppen zugeschnittene Medizinprodukte und Therapie-Entscheidungen werden in der heutigen Medizin immer wichtiger. Dieses Projekt beschäftigt sich mit der Verzahnung von personalisierten Diagnose- und Therapieentscheidungen für verschiedene Patientengruppen mit verschiedenen Krankheitsbildern. Konkret geht es darum, wie Krankheitsverläufe individuell auch im Homecare-Bereich oder im Pflegeheim vor Ort erfasst werden können, so dass die Analysedaten telemetrisch an den behandelnden Arzt übermittelt werden können. Auf dieser Basis erfolgt dann eine individuelle Entscheidung über die weitere Behandlung. Diese zeitlich engmaschige Optimierung der Therapie mit Blick auf die aktuellen Bedürfnisse des Patienten vor Ort birgt ein hohes Potenzial sowohl für verbesserte Heilungschancen als auch für die Effektivität der Ärzte und des Pflegepersonals und damit für Kosteneinsparungen bei den Krankenkassen.
KoAktiv: Neue Gesundheitsdienstleistungen in Kooperation zwischen Wirtschaft und Sozialwirtschaft – Komplexe Dienstleistungssysteme und Smart Services zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege oder Betreuung
Das Projekt „KoAktiv“ hat die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zum Ziel. Im Raum der Stadt Balingen werden mit einem koordinierten Konzept mit Partnern aus Unternehmen, Sozialwirtschaft, Sozialversicherungsträgern und der Kommune neue Gesundheitsdienstleistungen und Smart Services aufgebaut. Je nach Bedarf können Arbeitnehmer und pflegende Angehörige Leistungen unterschiedlicher Anbieter über eine digitale Plattform abrufen (z.B. Fahrdienste für die Kinder, Haushaltsunterstützung, flexible Arbeitszeitregelung). Die entstehenden Kosten werden auf mehrere Schultern verteilt, darunter Arbeitgeber und Sozialversicherungsträger.
Mit diesem Projekt wird eine neuartige Wertschöpfungspartnerschaft zwischen Wirtschaft und Sozialwirtschaft geschaffen, von der alle Beteiligten profitieren: Arbeitnehmer, die Beruf und Pflege oder Betreuung besser vereinbaren können, aber auch andere Bürgerinnen und Bürger am Standort Balingen, der mit dem Aufbau von Smart Services seine Angebote der kommunalen Daseinsvorsorge erweitert und sich als „attraktiver Lebensraum“ profiliert, dessen Wirtschaft und Bevölkerung wachsen statt demographisch bedingt schrumpfen. Die lokale Wirtschaft kann sich im scharfen Wettbewerb des Marktes als attraktiver Arbeitgeber Fachkräfte sichern.
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut: „Neben unseren Leitbranchen Maschinenbau und Automobilindustrie entwickelt sich die Gesundheitswirtschaft immer mehr zu einem entscheidenden Wachstumstreiber und Jobmotor. Die Gesundheitswirtschaft hat das Potenzial, zu einer Leitökonomie des 21. Jahrhunderts zu werden. Um im weltweiten Wett-bewerb langfristig mithalten zu können, muss es uns gelingen, Forschungsergebnisse noch schneller in Produkte und Dienstleistungen umzuwandeln. Darauf konzentriert sich mein Ministerium im Rahmen des Forums. Big-Data, Künstliche Intelligenz und Personalisierte Medizin bieten hier große Chancen. Mit den geplanten 13 Projekten, die mein Haus mit Mitteln in Höhe von 17,8 Millionen Euro fördern will, werden wir diese Schlüsseltechnologien maßgeblich voranbringen.“
Aus dem Bereich des Sozialministeriums:
ZPM-Netzwerk Baden-Württemberg – Ausbildung einer regionalen Versorgungsstruktur der Personalisierten Medizin in Baden-Württemberg
Die auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Personalisierte Medizin besitzt enormes Potenzial zur verbesserten Behandlung schwerwiegender Krankheiten. Besonders in der molekularen Diagnostik und Medikamentenentwicklung für die Krebstherapie sind schon große Fortschritte erzielt worden. Seit 2016 bauen die Universitätskliniken Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm Zentren für Personalisierte Medizin (ZPM) auf, in denen modernste Molekulardiagnostikmethoden und der Zugang zu klinischen Studien und Therapien von Krebserkrankungen bereitgestellt werden.
Mit dem Ausbau des ZPM-Netzwerkes sollen die Fortschritte der Personalisierten Medizin erstmals allen betroffenen Patienten in Baden-Württemberg zugänglich gemacht und die Voraussetzungen geschaffen werden, um diese Verbesserungen rasch in die Routineversorgung der Patienten zu überführen. Flächendeckend werden strukturierte molekulare und klinische Daten erhoben, die zur Identifikation exakt definierter Patientengruppen und für neue klinische Studien genutzt werden können. Die aufgebauten Strukturen des ZPM-Netzwerkes sollen über die Onkologie hinaus auf Indikationen im Bereich Immunologie und Entzündungen ausgedehnt und personalisierte anti-entzündliche Therapien entwickelt werden.
Klinische Informationsstelle Seltene Erkrankungen – KLINSE
Seltene Erkrankungen sind jede für sich zwar selten, doch gibt es mehr als 8.000 davon, und zusammen genommen sind in Deutschland drei bis vier Millionen Menschen davon betroffen. Oft fehlt den Ärzten vor Ort die Erfahrung in der Behandlung seltener Krankheiten, und in der Regel gibt es auch keine klaren Leitlinien oder Therapieempfehlungen, sodass die geeignete Behandlung oder Vorsorge oft nicht oder nur mit Verzögerung erfolgt.
Um diesem Mangel zu begegnen, wird das Zentrum für Seltene Erkrankungen Tübingen – das erste seiner Art in Deutschland – eine Klinische Informationsstelle Seltene Erkrankungen (KLINSE) einrichten. Ausgebildete Experten recherchieren auf Anfrage des Arztes, der mit der Diagnose einer seltenen Erkrankung seines Patienten konfrontiert ist, den aktuellen Wissensstand anhand von Datenbanken und Publikationen – ggf. auch durch direkte Anfrage bei internationalen Experten – und übermitteln dem Arzt zeitnah die bestmöglichen Behandlungsempfehlungen.
„Mit diesen Projekten gehen wir wichtige Schritte in der Behandlung schwerstkranker Menschen. Schon jetzt ist Baden-Württemberg im Bereich der Personalisierten Medizin bundesweit Vorreiter – diese Position bauen wir konsequent aus“, sagte Gesundheitsminister Manne Lucha. „Es zeigt sich, dass wir mit dem Forum Gesundheitsstandort bedeutende Synergien schaffen und neue Verbindungen knüpfen können. Unsere Partner im Gesundheitswesen, mit denen wir sehr erfolgreich Versorgung ‚made in Baden-Württemberg‘ gestalten, stehen erstmals in einem intensiven Dialog mit unserer Gesundheitswirtschaft. Das bringt neue Impulse und wird die medizinische Versorgung der Menschen im Land weiter verbessern.“