Die Gesundheitsbranche ist einer der bedeutendsten Arbeitgeber in Baden-Württemberg – das gilt auch für die Region Tuttlingen. Ob in Medizin, Pflege, Forschung oder Produktion – das Spektrum an attraktiven Berufsbildern ist groß, gleichzeitig aber ist der Fachkräftemangel – der sprichwörtliche „War of Talents“ – auch hierzulande zu spüren. Aber was genau bedeutet das für die Tuttlinger Akteure vor Ort? Darüber wird bei einer Info- und Diskussionsveranstaltung am 14. Oktober in der Stadthalle Tuttlingen diskutiert. Ab 14 Uhr stellen sich hier Expertinnen und Experten aus Industrie, Wissenschaft und Versorgung folgenden Fragen: Welche Chancen bietet der Arbeitsmarkt im Bereich Gesundheit aktuell? Wie stellen sich lokale Unternehmen auf? Welche Unterstützung können Netzwerke und Forschungseinrichtungen bieten? Wie geht das Klinikum Tuttlingen die Frage an? Und welche neuen, auch digitalen Wege können die Ausbildung weiter verbessern?
Identität stiften und Zukunftsorientierung zeigen
Insbesondere Kliniken stehen vielerorts derzeit vor dem Problem, nicht ausreichend Fachkräfte zu gewinnen – das ist auch am Klinikum Tuttlingen zu spüren. „Das qualitativ Neue an der derzeitigen Situation ist, dass wir Personalbedarfe in nahezu allen Bereichen haben: Man denkt zuerst an Ärzte und Pflege, wir haben aber auch Bedarf in den Funktionsdiensten, im Bereich der patientennahen Administration, aber auch in der IT-Abteilung, den kaufmännischen Bereichen und den technischen Diensten“, so Professor Dr. Sebastian Freytag, Direktor des Klinikums Tuttlingen. Er sieht einen wichtigen Lösungsansatz darin, als regionale Klinik auf die identitätsstiftende Wirkung sowie die Zukunftsorientierung und langfristige Attraktivität der Gesundheitsbranche als Arbeitgeber zu setzen. Freytag: „Zudem arbeiten wir als Arbeitgeber intensiv an unseren Angeboten an junge Menschen und versuchen, diese so früh wie möglich zu erreichen, um in einen Dialog zu kommen.“
Unternehmen gezielt unterstützen
Dass sich die Zeiten ändern, merken auch die vielen Medizintechnik-Unternehmen der Region. Fachkräfte sind dabei ein Thema neben vielen anderen Herausforderungen, weiß Yvonne Glienke als Geschäftsführerin des Medizintechnik-Clusters MedicalMountains: „Materialbeschaffung, Energiekosten, Fachkräftemangel – die Herausforderungen unserer Branche sind vielfältig. Durch die neue Medical Device Regulation – MDR – gibt es außerdem für alle Medizintechnikunternehmen einen erhöhten Personalbedarf im Bereich Qualitätsmanagement und Zulassung. Hier bieten wir als Cluster den Unternehmen gezielte Unterstützung mit Hilfe von Weiterbildungsangeboten, ExpertTables als Austauschmöglichkeit oder auch mit Publikationen.“ Gemeinsam mit den lokalen Akteurinnen und Akteuren wird aber auch an einem Zukunftsbild gearbeitet, mit dem die Herausforderungen von heute und morgen adressiert und Lösungen entwickelt werden. „Insbesondere wenn es um die Entwicklung einer Arbeitgebermarke mit flexiblen Beschäftigungsmodellen und einer besseren Sichtbarkeit der Branche und deren Attraktivität geht, unterstützt das Cluster die Unternehmen bei der Weiterentwicklung und besseren Aufstellung“, berichtet Glienke.
Wie sich die Medizintechnik-Industrie konkret aufstellt, wird Andreas Hupe, Vice President Human Capital Management, Legal & Insurance bei der KLS Martin Group bei der Veranstaltung vorstellen. Das Unternehmen steht beispielhaft für eine lokal verwurzelte Industrie mit globaler Ausstrahlung und einem ganzen Spektrum an Ausbildungs- und Einstiegsmöglichkeiten. Zum Beispiel wird das Thema Nachwuchs in Tuttlingen sehr gezielt angegangen. Es gibt ein attraktives Ausbildungsprogramm, bei dem Azubis von Beginn an fest ins Team integriert werden und auch Auslandsaufenthalte möglich sind.
Region vs. Stadt
Dass der Gesundheitsstandort Baden-Württemberg und die Region Tuttlingen über beste Voraussetzungen für eine positive Entwicklung des Arbeitsmarktes in der Gesundheitsbranche verfügen, darüber sind sich die Expertinnen und Experten einig. „Die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg hat die höchste Industriedichte in Baden-Württemberg. Hier sitzen nicht nur attraktive Arbeitgeber, sondern wir arbeiten, wo andere Urlaub machen”, betont Glienke. Diese Mischung aus globaler Wirtschaft und hoher Lebensqualität mache die Medizintechnik-Branche als Arbeitgeber attraktiv. Darüber hinaus könne der Job gerade in diesem Bereich einen zusätzlichen Sinn stiften. „Die Medizintechnikbranche rettet Leben und verbessert die Lebensqualität. Jeder Mitarbeiter steuert hier seinen Teil bei. Genau das haben wir auch bei unserem Visionsprozess gemeinsam mit den Unternehmen herausgearbeitet“, berichtet die Clustermanagerin. Auch Klinik-Chef Freytag ist überzeugt, dass die Kombination aus attraktiver Lebensumgebung und sinnstiftendem Berufsbild in Baden-Württemberg Hand in Hand gehen: „Es braucht ein authentisches Profil und belastbare Antworten auf die Zukunftsfragen – Wohnen, Mobilität, Familienfreundlichkeit, Seniorenfreundlichkeit und so weiter. Ich sehe eine Chance darin, jungen Menschen zu helfen, für sich Lebensentwürfe zu entwickeln und Orientierung zu finden. Da hat die Region viel zu bieten, vor allem eine echte Alternative zum Leben in Ballungsgebieten.“
Ausbildung bereichern und attraktiver gestalten
Ein weiterer Weg dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel aktiv zu begegnen, ist die frühzeitige Bindung des Nachwuchses und die Verbesserung der Ausbildung. Wie das funktionieren kann, zeigt das unter dem Dach des Forums Gesundheitsstandort geförderte Projekt xR Skills Lab des Instituts Mensch, Technik, Teilhabe (IMTT) der Hochschule Furtwangen. Hier wird die medizinische Ausbildung von Pflegekräften mit Simulationstrainings in so genannten Skills Labs mit Hilfe von Virtual Reality umgesetzt. „Die üblichen Simulationen wie beispielsweise das Üben von Reanimationen können so um ein großes Spektrum erweitert werden. Für die jüngere Generation, die viel visueller denkt und sich Wissen nicht nur aus Lehrbüchern aneignet, ist das eine ideale Form der Schulung“, erklärt Barbara Loessl, akademische Mitarbeiterin am IMTT. Sie ist als Expertin ebenfalls bei der Veranstaltung in der Stadthalle Tuttlingen dabei und wird über Details des Ausbildungsprojektes berichten.
Begleitend zur Veranstaltung: Wanderausstellung & Gesundheitstag Tuttlingen
Die Veranstaltung mit dem Titel „Von Pflege über Technologie bis Produktion: Welches Potenzial bietet die Gesundheitsbranche als Arbeitgeber?“ am 14. Oktober ist auch der Startschuss für die Wanderausstellung „Gemeinsam für Gesünder“ des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg, die vom 14. bis 18. Oktober Station in Tuttlingen macht und in Kooperation mit dem Gesundheitstag Tuttlingen sowie einem verkaufsoffenen Sonntag am 16. Oktober stattfindet. Die Wanderausstellung bringt Informationen über innovative Ansätze im Gesundheitswesen zu den Bürgerinnen und Bürgern. Auf zehn Präsentationsflächen wird in Text, Grafik, Video und Audio anschaulich dargestellt, vor welchen Herausforderungen das Gesundheitswesen der Zukunft steht, welche Rolle die Digitalisierung spielt und wie in Baden-Württemberg daran gearbeitet wird, dass alle Bürgerinnen und Bürger vom medizinischen Fortschritt profitieren.
Das Programm zur Veranstaltung sowie die Möglichkeit zur Anmeldung gibt es hier. Weitere Infos unter: www.gemeinsamfuergesuender.de.
Am 16. Oktober können sich die Tuttlinger rund um das Rathaus über weitere Angebote zum Thema Gesundheit informieren. Ein Schwerpunkt ist dieses Jahr das Wandern.
Eckdaten der Ausstellung:
Ort: Stadthalle Tuttlingen Am Europaplatz, Königstraße 39, 78532 Tuttlingen
Öffnungszeiten Ausstellung: täglich von 10-17 Uhr