Als vorerst etzte Station war die Wanderausstellung „Gemeinsam für Gesünder“ von 18. bis 22. November im Uniklinikum Ulm zu sehen. Aus diesem Anlass wurde erneut ein Netzwerkevent organisiert – dieses Mal in Kooperation mit dem BioPharma Cluster Ulm, das zahlreiche Wirtschaftsakteure der lokalen Pharmaindustrie vereint.
Starke Region mit starker Wertschöpfung
Unter dem Thema „Was neue Produktionstechnologien für die Gesundheitsversorgung leisten“ diskutierten die Sprecherinnen und Sprecher die Bedeutung der Gesundheitswirtschaft im Land aus unterschiedlichen Perspektiven. „Wir können hier in Baden-Württemberg eine einzigartige Wertschöpfungskette vorweisen – von der Grundlagenforschung über die Produktion und damit zur Translation“, so Prof. Dr.-Ing. Michael Weber, Präsident der Universität Ulm und Gastgeber der Veranstaltung, in seiner Begrüßung. „Unter anderem wird dies auch durch eine enge Zusammenarbeit zwischen der Universität Ulm und der pharmazeutischen Industrie ermöglicht.“
Prof. Dr. Udo Kaisers, Leitender Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum Ulm, ergänzte in seinen Begrüßungsworten aber auch, dass die weitere Entwicklung und Förderung notwendiger Plattformen wie die Early Clinical Trail Units (ECTU), das Zentrum für Tumorforschung, die deutschlandweit beispiellosen Zentren für Personalisierte Medizin und die enge Zusammenarbeit mit den Universitätsklinika der Region vorangetrieben werden müsse. „Patientennahe Forschung und die schnelle Nutzbarmachung für Patientinnen und Patienten fördert nachhaltig eine innovative Gesundheitsversorgung“, betonte er.
Datenharmonisierung als Basis für Personalisierte Medizin notwendig
„Wir wissen schon viel, aber wir können noch nicht alles richtig umsetzen“, sagte wiederum Prof. Dr. Thomas Wirth, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm, in seinem Grußwort. „Daher ist es wichtig, Gesundheitsdaten zu sammeln und strukturiert auszuwerten. Nur so lässt sich eine bessere Differentialdiagnostik und daraufhin eine Personalisierte Medizin ermöglichen.“
An den vier Standorten der Zentren für Personalisierten Medizin in Baden-Württemberg, zu denen auch das Uniklikum Ulm gehört, werden dafür gemeinsame Standards etabliert und Prozesse harmonisiert.
Gesundheitsversorgung muss krisenfester werden
Manfred Lucha, Minister für Soziales, Gesundheit und Integration in Baden-Württemberg, betonte in seinem Vortrag, dass Personalisierte Medizin verstärkt in der Versorgung ankommen müsse. Dass dafür aber Forschung, Entwicklung und Herstellung medizinischer Produkte und Versorgung viel enger zusammengedacht werden sollten. „Wir haben hier den Vorteil, im Land auf eine wahnsinnig innovative Gesundheitsindustrie zurückgreifen zu können“, so der Minister. „Die Pandemie der vergangenen zwei Jahre hat uns in dem Zusammenhang aber auch gezeigt, dass wir resiliente Strategien benötigen, um die pharmazeutische Produktion und damit eine gute Versorgung nachhaltig zu sichern.“
Das Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg leiste dafür wichtige Arbeit, indem es über 500 Akteurinnen und Akteure der Gesundheitsversorgung und Gesundheitswirtschaft vernetzt.
„Wo andere noch Rezepte drucken, drucken wir schon Medikamente“
Welche Möglichkeiten es im Bereich der Arzneimittelproduktion in Baden-Württemberg bereits gibt, stellten Akteure aus dem Bereich der pharmazeutischen Produktion vor.
Stefan Fügenschuh vom israelischen Pharma-Unternehmen Teva Pharmaceuticals präsentierte dabei die neue Produktionsstätte für Biopharmazeutika in Ulm: „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und produzieren wieder verstärkt am eigenen Standort in Ulm mit extrem hoher Qualität, indem wir Prozesse weiter standardisiert haben.“
Dr. Fridtjof Traulsen vom familiengeführten deutschen Pharma-Unternehmen Boehringer Ingelheim zeigte anhand zweier Beispiele, wie medizinische Innovationen von der Industrie umgesetzt werden. Zum einen ging der Leiter des Produktionsstandorts Biberach auf das Potenzial therapeutischer Viren ein. „Vor allem in der Krebstherapie und bei Seltenen Erkrankungen liegen große Hoffnungen auf den therapeutischen Viren, die jedoch nur biotechnologisch hergestellt werden können. Das geschieht an unserem Standort in Ochsenhausen.“ Zum anderen erklärte er, wie mit Hilfe der Digitalisierung Herstellungsprozesse beschleunigt werden können. „Wir erschaffen quasi einen digitalen Zwilling, mit dem wir genaue Simulationen ermöglichen. So lassen sich physikalische, funktionale Eigenschaften besser testen, kritische Beziehungen schneller erkennen und Vorhersagen leichter treffen.“ Am Ende würden die Medikamente damit schneller zum Patienten gelangen, so Traulsen.
Wie die Arzneimittelproduktion der Zukunft aussieht, erläuterte Prof. Dr. Gerald Huber, Mitgründer und Executive Advisor des in Schwäbisch Gmünd angesiedelten Unternehmens DiHeSys. Er hat mit seinem Team und mit Förderung der Landesregierung unter dem Dach des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg ein Arzneimittel-Druckverfahren entwickelt, das für die Patientinnen und Patienten entscheidende Vorteile bringt: eine gezieltere Wirksamkeit bei weniger Nebenwirkungen.
„Die Menschen sind nicht alle gleich. Das zeigt sich auch darin, dass viele Medikamente nicht so exakt dosiert und zusammengesetzt werden können, dass sie auf die individuellen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten passen. Unsere 2D -und 3D-Druckverfahren für Medikamente können das ändern. Damit gehen wir einen entscheidenden Schritt in Richtung Personalisierte Medizin.“
Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft notwendig
In der anschließenden Diskussion erweiterte sich das Podium um zwei weitere entscheidende Perspektiven. So ging Privatdozentin Dr. Verena Gaidzik, Oberärztin der Inneren Medizin am Universitätsklinikum Ulm und Sprecherin des Zentrums für Personalisierte Medizin, aus praktischer Sicht auf die Notwendigkeit qualitativer Gesundheitsdaten ein: „Patientinnen und Patienten brauchen Sicherheit. Das ist nur möglich, wenn wir die notwendige Basis für Evidenz schaffen, hochwertige und strukturierte Gesundheitsdaten haben und diese nutzen.“
Dr. Sabine Schwenk, Geschäftsführerin der AOK Ulm-Biberach, brachte den Blick der Kostenträger in die Diskussion ein. „Wir verstehen uns als Interessenvertretung unserer Versicherten. Daher ist es wichtig, neue Therapien, die bereits über eine gewisse Evidenz verfügen mit Hilfe von Standards und Prozesse zu erproben. Dazu haben wir die Voraussetzung für eine entsprechende Vergütung geschaffen.“
Einig waren sich die Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer darin, dass eine starke Vernetzung zwischen Forschung und Industrie ein wichtiger Motor für Innovationen ist. Das süddeutsche BioPharma Cluster South Germany in Ulm macht es vor. „Wir sind Pioniere für Automatisierung und Digitalisierung und ziehen viele Talente, Spezialistinnen und Spezialisten an. Damit tragen wir damit entscheidend zur Wertschöpfungskette bei“, so Fügenschuh.
Gleichzeitig warnten die Akteure und Akteurinnen aber auch, dass insbesondere die starke Regulatorik oftmals eine rasche Umsetzung und Einführung innovativer Produkte auf den Markt behindert. „Nicht umsonst hat Deutschland seinen Spitzenplatz im Forschungsranking bereits aufgeben müssen. Nur in einem konstruktiven Dialog mit der Politik und den Kostenträgern können wir die festen Strukturen aufbrechen und unsere Innovationsfähigkeit weiterentwickeln und Forschung und Industrie halten“, betonte Fridtjof Traulsen von Boehringer Ingelheim.