Die Digitalisierung in der Medizin wird die Prozesse der Diagnosestellung und Therapie entscheidend verändern. So werden zum Beispiel zeitaufwändige therapiebegleitende Analysen in Zukunft als Selbsttests möglich sein, was wiederum wichtige Ressourcen für die behandelnden Ärzte schafft, da sie anhand der aktuellen Patientendaten die Therapie unmittelbar an die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten anpassen können. Nebenwirkungen werden so reduziert, Überlebenschancen erhöht und Behandlungskosten gesenkt.
Plattform für gezielte Diagnostik mit hohem Verwertungspotential
Solche medizinisch-technologischen Fortschritte in der personalisierten Diagnostik werden nur durch das Zusammenspiel verschiedener Disziplinen möglich – molekulare Medizin, Nanotechnologie und Digitaltechnik sind hier entscheidende Bausteine. Das vom baden-württembergischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus geförderte Projekt „Neue Technologien für Patienten – Translationale Plattform für die nanosensorbasierte medizinische Diagnostik (TechPat nano)“ bündelt die Kompetenzen verschiedener Partner aus Industrie und Wissenschaft, um in Baden-Württemberg die Diagnostik der nächsten Generation vorzubereiten.
Dr. Nadine Borst vom Hahn-Schickard-Institut für Mikroanalysesysteme in Freiburg ist Gesamtprojektleiterin des Projektes: „Unser Ziel war und ist es, die neuesten Bio- und Nanotechnologien aus Baden-Württemberg schnell für Patienten nutzbar zu machen.“
Das geschah im Projekt in zwei Schritten. „Vor dem Hintergrund der Digitalisierung in der Medizin evaluierten wir die künftigen diagnostischen Bedarfe. Diese translationale Begleitung erfolgte unter Einbindung von Anwendern, Ärzten, Unternehmen, Netzwerken sowie der Koordinierungsstelle Telemedizin Baden-Württemberg, erläutert Dr. Nadine Borst. „Auf dieser Grundlage haben wir im Projekt baden-württembergische Spitzen- und Nachwuchsforscherinnen und-forscher auf dem Gebiet der Bio-Nanotechnologie und den diesbezüglich jüngsten internationalen Stand der Technik mit der künftigen medizinischen Bedarfslage zusammengeführt. Die verfügbaren Spitzentechnologien sollten so anwendungsspezifisch und gemeinsam mit der Industrie in international wettbewerbsfähige Medizinprodukte überführt werden.“ Im nächsten Schritt wurden innovative Bio- und Nanotechnologien aus Baden-Württemberg in diagnostische Plattformen integriert. Diese Abläufe wurden schließlich mit Hilfe eines therapiebegleitenden Tests für Nierentransplantationspatienten und eines mobilen Patientenselbsttests zur Bestimmung antibiotikaresistenter Bakterien demonstriert. „Beide Diagnostikplattformen sollen in den kommenden Jahren als Prototypen verfügbar sein“, so Borst.
Weiterführung auf Bundesebene im Zukunftscluster nanodiag BW
Nach Abschluss der Förderphase für TechPat nano im Oktober 2022 werden die Arbeiten zur Nanotechnologie imZukunftscluster nanodiag BW weitergeführt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der zweiten Wettbewerbsrunde der Zukunftscluster-Initiative Clusters4Future gefördert wird. „Methoden, die wir in TechPat nano entwickelt und getestet haben, können wir in diesem Cluster weiter ausbauen und multidisziplinäre Forschungsergebnisse zusammenführen, die an der Schwelle zur Umsetzung stehen“, beschreibt Borst das Vorhaben, das federführend von apl. Prof. Dr. Felix von Stetten (Hahn-Schickard) und Prof. Dr. Jan C. Behrends (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) initiiert wurde. „In den kommenden Jahren wollen wir die Nanoporentechnologie in innovative Produkte und Dienstleistungen überführen. Diese sollen helfen, epigenetisch geprägte Erkrankungen wie Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-, psychische, neurodegenerative und Infektionserkrankungen früher zu erkennen und gezielter zu behandeln“, sagt Dr. Nadine Borst. „Dies fördert die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger und steigert ihre Lebensqualität.“
Über 50 regionale Akteurinnen und Akteuren arbeiten in dem Zukunftscluster zusammen und schaffen ein verzweigtes Wertschöpfungsnetzwerk – von der wissenschaftlichen Grundlagenforschung in Physik, Biochemie und Physiologie bis hin zu den Endanwendungen. Intensiv genutzt werden hier auch neue Möglichkeiten der Bioinformatik, molekulardynamischer Simulationen, Künstlicher Intelligenz (KI) und des Maschinellen Lernens. Die Mikro- und Nanofluidik sowie die Mikroelektronik helfen dabei, integrierte nutzbare Systeme für die Endanwendung aufzubauen. Insgesamt soll das Vorhaben dem Innovationsstandort Deutschland globale Wettbewerbsvorteile in der Gesundheitswirtschaft der Zukunft sichern.