Die Sprecherinnen und Sprecher des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg haben am 21. Februar 2021 Ministerpräsident Winfried Kretschmann zwei Papiere zur Zukunft des Gesundheitsstandorts übergeben. Eines beschäftigt sich mit strategischen Handlungsfeldern und Empfehlungen für den Gesundheitsstandort, das andere mit der Sicherung des Gesundheitsstandorts gegen künftige Pandemiefälle. „Angesichts der Vielfalt des Forums ist es ein großer Erfolg, dass die Akteure umfassende gemeinsame Leitthemen erarbeitet haben“, sagte der Ministerpräsident in Stuttgart. „Der Gesundheitsstandort spricht mit einer Stimme.“ Das sei ein Alleinstellungsmerkmal des Forums Gesundheitsstandort und in dieser Form aus keinem anderen Bundesland bekannt.
„Wir werden das Strategiepapier und das Pandemiepapier nun eingehend auswerten und die Empfehlungen in unsere politische Arbeit aufnehmen. Bereits im Rahmen einer aktuellen Förderrunde haben wir Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie bei der Unterstützung von Forums-Projekten berücksichtigt. Unsere Investitionen haben zum Ziel, gestärkt aus der Krise herauszukommen“, sagte der Ministerpräsident.
Schon jetzt belegt Baden-Württemberg bundesweit im Bereich von Pharma- und Medizinprodukten den ersten Rang. Allerdings wird die herausragende Position nicht unmittelbar mit dem Südwesten in Verbindung gebracht. Deshalb hat sich das Forum zum Ziel gesetzt, sowohl die bestehenden Strukturen Baden-Württembergs stärker nach außen zu vermitteln als auch das Land zur Leitregion für den digitalen, vernetzten und innovativen Gesundheitsstandort der Zukunft weiterzuentwickeln. Das Forum hat hierzu Leitthemen identifiziert und unter dem Titel „Strategische Handlungsfelder und Empfehlungen für den Gesundheitsstandort Baden-Württemberg“ in einem Papier zusammengefasst:
- Verstärkte Digitalisierung: Digitale Anwendungen wie Telemedizin und digitale Patientenakte bieten die Chance, die stationäre und ambulante Behandlung (auch im ländlichen Raum) zu verbessern. Große Datenmengen (Big Data) aus der Versorgung oder aus Apps und Medizintechnikdaten von kranken sowie gesunden Menschen bieten neue Möglichkeiten der medizinischen Forschung und Versorgung und damit auch neue Geschäftsmodelle. In Verbindung mit Künstlicher Intelligenz (KI) sind mit diesen Datenmengen exaktere Diagnosen möglich. Baden-Württemberg wird außerdem in die Lage versetzt, die Standards für eine sinnvolle Datenverarbeitung und einen sicheren und geschützten Datenzugang in die Diskussion auf Bundes- und Europaebene einzubringen.
- Zielgenauigkeit von Diagnostik und Therapie in voll integrierten Forschungszentren: Der Begriff „personalisierte Medizin“ bezeichnet eine zielgenau auf Patientinnen und Patienten zugeschnittene umfassendere Diagnostik- und Therapiestrategie, die auch Digitalisierung und KI umfasst, aber wesentlich weitergeht. Die Auswertung von Patientendaten liefert Forschenden sowie Ärztinnen und Ärzten neue Erkenntnisse über die Ursachen oder Differenzierungen einer Erkrankung. Das hat z. B. auch Auswirkungen auf die notwendigen Medikamente und damit auf die Pharmabranche insgesamt. In Baden-Württemberg gibt es im Bereich der Krebsforschung bereits etablierte Zentren für Personalisierte Medizin (ZPM). Diese können als Blaupause für eine zentral begleitete Umsetzung dienen. Im Blick ist zudem eine Ausweitung über die Krebstherapie hinaus auf das Feld der entzündlichen Erkrankungen.
- Bildung von Innovations- und Translations-Schwerpunkten: Um international in den vielfältigen Bereichen der modernen Medizin Schritt halten zu können, ist es notwendig, die Arbeit aller Akteure im Innovationssystem der Medizin besser zu verknüpfen. Baden-Württemberg verfügt sowohl über starke Cluster in den Bereichen Medizintechnik, Biotechnologie, Pharma- und Informationstechnologie als auch über eine innovative Hochschulmedizin und außeruniversitäre Forschungsinstitute. Es geht darum, Strukturen – wie sie CureVac an der Uniklinik Tübingen, am Technologiepark Tübingen-Reutlingen und am Risikokapitalmarkt vorgefunden hat – als „Innovations- und Translations-Netzwerke“ aufzubauen und zu stärken.
- Regularien und gesetzliche Rahmenbedingungen: Das deutsche Gesundheitssystem im europäischen Rechtsraum ist ein sehr strikt reguliertes System. Für die Akteure ist es notwendig, regulatorische Barrieren innerhalb von Innovationsprozessen zunächst auf Länderebene und dann auf Bundes- und/oder EU-Ebene abzustimmen. Insbesondere um Schlüsselindustrien für einen robusten Gesundheitsstandort in Baden-Württemberg zu halten, sind Hemmnisse zu identifizieren und anzugehen. Aktuelles Beispiel für einen solchen Prozess ist die EU-Medizinprodukteverordnung, welche die Hersteller des Landes mit umfassenden neuen Zulassungsanforderungen konfrontiert.
- Stärken von Bildungs-, Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten: Mit qualifizierten und motivierten Mitarbeitenden steht und fällt ein leistungsfähiges Gesundheitssystem im Land. Dazu braucht es Ausbildungs- und Studienangebote, deren Curricula auf die neuen Strukturen der Gesundheitsversorgung ausgerichtet sind. Interprofessionelle Zusammenarbeit und umfassende Kompetenzen in der Digitalisierung sind wesentlich. Die kontinuierliche berufliche Qualifizierung für alle Beschäftigtengruppen ist besonders zentral. Hochqualifizierte Beschäftigte erwarten zu Recht Tätigkeiten, in denen sie ihre Kompetenzen bestmöglich zur Entfaltung bringen können.
Das weitere Papier, welches im Forum entstanden ist, hat die „Langfristige Sicherung des Gesundheitsstandorts Baden-Württemberg gegen Pandemiefälle“ zum Ziel. Die Corona-Pandemie hat v. a. gezeigt, dass Wirtschaft und Versorgung in einer globalisierten Welt abhängig von Komponenten und Materialien aus dem Ausland sind. Und sie hat auch gezeigt, wie fragil die Lieferketten sind. Ziel ist es, aus diesen Erfahrungen zu lernen und in Zukunft z. B. unabhängiger von Importen zu werden. Im Zusammenspiel mit der europäischen und nationalen Ebene geht es darum, den Produktionsstandort Baden-Württemberg entsprechend zu stärken. Hierbei kann eine kritische Prüfung von wettbewerbsrechtlichen und beihilferechtlichen Regelungen und Hürden helfen.
Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Medizinischer Geschäftsführer des Robert-Bosch-Krankenhauses, Stuttgart: „Bei den anstehenden Herausforderungen ist die Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitswesen nicht nur wünschenswert, sondern entscheidend, um auch in der Zukunft die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu sichern. Das Forum bietet dafür die ideale Plattform.
Die Digitalisierung bietet die Chance, für die Zukunft eine qualitativ hochwertige Versorgung auch im ländlichen Raum anzubieten. Das Forum Gesundheitsstandort hat dies erkannt und entsprechende wirksame Projekte zur Förderung vorgesehen.
Nur wenn es gelingt, die anstehenden Herausforderungen gemeinsam anzugehen, dabei jeweils die im Land vorhandenen Stärken positiv zu nutzen und die Zusammenarbeit aller Bereiche zu fördern, hat Baden-Württemberg auch für die Zukunft die Chance, Herausragendes zu leisten.“
Prof. Dr. Ingo B. Autenrieth, Leitender Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Heidelberg: „Die Herausforderungen des demographischen und strukturellen Wandels lassen sich durch transsektorale Zusammenarbeit, Forschung und Innovation, durch die Ausbildung von Fachkräften und durch die Nutzung von Digitalisierung und Technologien der künstlichen Intelligenz erfolgreich gestalten – zum Wohle der Bevölkerung und unserer Patienten. Gleichwohl bleibt noch vieles zu tun, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und um die Potenziale der Präzisionsmedizin zu nutzen.
Die Universitätsmedizin Heidelberg freut sich, bei der Umsetzung der Empfehlungen des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg als zentraler Akteur mit Leitungs- und Lotsenfunktion mitzuwirken: Von den Errungenschaften der Wissenschafts-geleiteten Patientenversorgung – von der Prävention, über innovative neue Behandlungsverfahren bis hin zur Nachsorge – profitieren Patienten in ganz Baden-Württemberg und weit darüber hinaus.
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Universitätsmedizin nicht nur durch qualitätsgesicherte Spitzenversorgung der Patienten, innovative und vernetzte Forschung und Lehre, sondern ebenso durch transsektorales Management und Kommunikation mit den Akteuren aus den Bereichen Gesundheit, Forschung, Wirtschaft und Politik eine zentrale Funktion einnimmt.“
Prof. Dr. Dr. Melanie Börries, Professorin für Medizinische Bioinformatik und Leiterin des Instituts für Medizinische Bioinformatik und Systemmedizin, Universitätsklinikum Freiburg: „Mit diesen beiden Konzeptskizzen, die durch die gemeinsame Zusammenarbeit des Sprecherkreises über die Ministerien hinweg und mit der Einbeziehung der gesetzlichen Krankenkassen entstanden sind, kann ein wichtiger Beitrag für die strategische Planung und Umsetzung der Weiterentwicklung des Gesundheitsstandort Baden-Württemberg geleistet werden.
Mit sechs definierten Handlungsempfehlung und den notwendigen Rahmenbedingungen können die notwendigen Schritte für die Digitalisierung sowie die Nutzung von Daten und neuen Technologien (Künstliche Intelligenz) umgesetzt werden. So kann die Gesundheitsversorgung effektiv verbessert werden. Zugleich bedarf es eine Förderung von Innovationen und Entwicklungspartnerschaften mit der Industrie mit den dazugehörigen nötigen Regularien. Diese Schritte können nur gemeinsam und mit Einbezug der Gesellschaft und der gleichzeitigen Stärkung der Ausbildung im Gesundheitsbereich erreicht werden – und wir haben jetzt die Möglichkeit, dieses umzusetzen.“
Prof. Dr. Hanns-Peter Knaebel, Vorstandsvorsitzender der Röchling-Gruppe: „Das Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg ist die perfekte Verknüpfung von herausragender Forschung, exzellenter Krankenversorgung und wegweisender Medizintechnik und Pharmaindustrie in Baden-Württemberg, die ein Alleinstellungsmerkmal dieses Standorts darstellen.
Das Bekenntnis der Landesregierung Baden-Württemberg zum Gesundheitsstandort ist eine exzellente Grundlage, um Gesundheitsforschung, Krankenversorgung und Gesundheitsindustrie zu einem herausragenden weiteren Standbein Baden-Württembergs zu machen.
Mit dem Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg hat sich die Landesregierung aufgemacht, in der Champions League der globalen Life Science Regionen mitzuspielen. Herausragende Projekte erhalten großartige Unterstützung: Die Landesregierung bekennt sich zum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg mit all seinen Facetten in Forschung, Krankenversorgung und Industrie.“
Prof. Dr. Nisar Peter Malek, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikum Tübingen und Direktor des Zentrums für Personalisierte Medizin: „Der Gesundheitsstandort Baden-Württemberg hat mit der Umsetzung der Personalisierten Medizin in die Versorgung gezeigt, dass für ein innovatives Gesundheitskonzept, das eine auch für den Patienten spürbare Verbesserung in der Versorgung darstellt, eine interdisziplinäre und integrative Zentrumsstruktur notwendig ist. Die im Strategiepapier diskutierten Handlungsfelder sind auch bei der Etablierung der Zentren für Personalisierte Medizin entscheidend gewesen und sind grundlegende Faktoren für die Umsetzung einer technologie- und wissensgetriebenen Medizin, die insbesondere bei Akutereignissen wie einer Pandemie den entscheidenden Vorteil in der Bekämpfung komplexer und dynamischer Erkrankungen bringt. Deshalb ist nicht nur der Ausbau der Technologien und der Digitalisierung wesentlich, sondern ergänzend dazu der Aufbau einer vernetzten und integrativen Versorgungsstruktur im Land, aufbauend auf den bereits etablierten ZPM als Blaupause für eine patientenzentrierte Innovationsstruktur.“
Carola Maute-Stephan, Geschäftsführerin des Verbands der Chemischen Industrie Landesverband Baden-Württemberg e. V. und des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie e. V.: „Gerade in der aktuellen Zeit zeigt sich, wie wichtig eine funktionierende Gesundheitsindustrie in Baden-Württemberg ist. Durch den offenen Austausch zwischen Regierung, Forschung, Versorgung, Medizinprodukte- und Arzneimittelindustrie wird es gelingen, den Gesundheitsstandort Baden-Württemberg zukunftsfähig weiterzuentwickeln. Die Vielfalt der Gesundheitsversorgung und die Innovationskraft der Gesundheitswirtschaft kommt den Menschen in Baden-Württemberg direkt zugute.“
Prof. Dr. Hagen Pfundner, Vorstand der Roche Pharma AG: „Baden-Württemberg hat mit dem Forum Gesundheitsstandort die Plattform für eine interministerielle und interdisziplinäre Zusammenarbeit geschaffen, die einzigartig ist. Mit der Umsetzung der vorliegenden Handlungsempfehlungen wird Baden-Württemberg im nationalen und auch im internationalen Wettbewerb eine Vorreiterrolle in der Gesundheitswirtschaft einnehmen und den Weg für eine ‚datengestützte Medizin‘ vorbereiten.“
Bernd Rühle, Geschäftsführer und Verwaltungsdirektor des Diakonie-Klinikums Stuttgart: „Wir streben mit den Handlungsempfehlungen verbesserte Rahmenbedingungen an, um die Potenziale der Gesundheitswirtschaft noch besser zu erschließen. Die Gesundheitswirtschaft hat das Potenzial einen noch größeren Teil zum Erfolg – und damit auch zum Wohlstand – unseres Bundeslandes beizutragen.
Die Handlungsempfehlungen sollen die Gründungskultur in der Gesundheitswirtschaft fördern und so zum weiteren Erfolg dieses Wirtschaftsbereichs beitragen. Wenn das Zusammenwirken aller Akteure der Gesundheitswirtschaft noch besser gelingt, so dient dies vor allem einer besseren Versorgung – stärkt aber auch den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg.“
Prof. Dr. Katja Schenke-Layland, Professorin für Medizintechnik und Regenerative Medizin an der Universität Tübingen und Leiterin des Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Instituts (NMI) in Reutlingen: „Mit dem Strategiepapier setzt Baden-Württemberg einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zum Gesundheitsstandort der Zukunft. Die erarbeiteten Handlungsempfehlungen schaffen den Rahmen, um Baden-Württemberg als herausragenden Gesundheitsstandort langfristig zu stärken. Sie setzen thematische Prioritäten wie beispielsweise die Personalisierte Medizin, und fokussieren unsere Anstrengungen auf eine noch stärkere Vernetzung aller Beteiligten sowie einer effektiven Translation der Forschungsergebnisse in die Anwendung.“
Für die Gesetzliche Krankenversicherung unterstreichen der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Johannes Bauernfeind, und Jacqueline Kühne, Vorstand beim BKK Landesverband Süd und Vertreterin der B 52-Verbändekooperation Baden-Württemberg, die Bedeutung des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg: „Die Corona-Pandemie hat uns allen sehr klar vor Augen geführt, wie wichtig ein gut funktionierendes Gesundheitssystem für die zuverlässige Versorgung der Menschen im Land ist. Vor diesem Hintergrund erlangt das Forum Gesundheitsstandort als wichtiger Ort des Austausches eine besondere Bedeutung für die zukünftige Gestaltung der Gesundheitsversorgung im Land. Als gesetzliche Krankenversicherung leisten wir sehr gerne unseren Beitrag für ein innovatives, qualitativ hochwertiges und sicheres Gesundheits- und Pflegesystem der Zukunft. Die vorliegenden Strategiepapiere geben hierfür wichtige Impulse für die Weiterentwicklung einer modernen und zugleich effizienten Versorgung in Gesundheit und Pflege zum Nutzen der Versicherten – sei es mit Blick auf das weitere Voranschreiten der Digitalisierung im Land oder die Stärkung der Sicherheit bei der Arzneimittelversorgung.“