Translation lebt durch Netzwerke
Die Translationsmedizin befasst sich mit der Frage, wie neue Diagnose- und Therapieverfahren sowie vielversprechende Medikamente schneller ihren Weg vom Labor zum Krankenbett finden. Dieses Thema beschäftigte auch die Expertinnen und Experten beim Netzwerk-Event des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg am 3. November 2022 in Freiburg. „Translationale Medizin ist ohne Innovation nicht möglich“, betonte Prof. Dr. Dr. h.c. Frederik Wenz, Leitender Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Freiburg in seiner Begrüßung. „Die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in Innovationen zu überführen, gehört zum Markenkern des Freiburger Universitätsklinikums. Das spiegelt sich auch in der erfolgreichen Arbeit der Freiburger Translation und Innovation Hubs, die Therapiekonzepte vorantreiben, um sie schnell für die Patientinnen und Patienten nutzbar zu machen“, so Wenz. Entscheidend seien funktionierende Netzwerke, damit Translation nicht an den Klinikmauern ende und diese Gegebenheiten seien in Freiburg und Baden-Württemberg vorhanden – auch dank der Arbeit des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg.
Beschleunigung der Forschungslandschaft
Die Digitalisierung eröffnet der Translationalen Medizin neue Schlüsseltechnologien. Wie diese klinische Studien beeinflussen und Ergebnisse für Patientinnen und Patienten schneller nutzbar machen, erklärte Dr. Britta Lang, Leiterin des Zentrums Klinische Studien am Universitätsklinikum Freiburg. „2021 hatten wir einen Höchststart an klinischen Studien mit über 30 Substanzen. Dabei versuchen wir in der Early Clinical Trial Unit (ECTU) die Potenziale der Digitalisierung immer stärker zu nutzen, zum Beispiel in der digitalen Studiensteuerung. Das ist ein umfassender Prozess und reicht von der gezielteren Verknüpfung von Daten über die Digitalisierung des Einwilligungsmanagements bis hin zur Etablierung einer Rekrutierungsplattform, die es Ärztinnen und Ärzten, aber auch Patientinnen und Patienten ermöglicht, passende Studien zu identifizieren.“ In verschiedenen Use Cases arbeitet die ECTU intensiv an einer immer stärkeren Vernetzung innerhalb Baden-Württembergs, um unter anderem auch regulatorische Hürden anzugehen, damit Ergebnisse schneller genutzt werden können.
Wie Innovationen in die Fläche gebracht werden
Dennoch finden medizinische Innovationen vor allem über praktizierende Ärztinnen und Ärzte ihren Weg zu den Patientinnen und Patienten. „Wir arbeiten daran, dass moderne Medizin fairer wird und nicht nur Menschen in der Nähe einer Uniklinik zugänglich ist, indem wir im Rahmen der praktischen Arzt-Ausbildung Möglichkeiten schaffen, junge Ärztinnen und Ärzte für die Arbeit auf dem Land zu begeistern und ihnen Innovationen mit auf den Weg geben“, erklärt Prof. Dr. Andy Maun, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Freiburg. „In Zusammenarbeit mit über 200 Lehrpraxen in Baden-Württemberg erhalten die jungen Ärztinnen und Ärzten konkret anwendbare Tools wie zum Beispiel im Praktischen Jahr einen digitalen Ultraschall im Taschenformat, den sie nutzen und während der Ausbildungszeit behalten können. Darüber hinaus binden wir sie in Versorgungsforschungsprojekte ein, die eng miteinander verzahnt sind und zum Teil auch über das Forum Gesundheitsstandort gefördert werden“, so Maun weiter. Zusatzangebote machten die Ausbildung außerdem attraktiver. „So können die jungen Medizinerinnen und Mediziner im Projekt Modellregionen in andere Fachbereiche reinschnuppern, wie in die Geburtshilfe oder in die Notfallmedizin. Aber wir bieten auch aktiv Wohn- und Mobilitätslösungen und Freizeitangebote an, die das Leben und Arbeiten auf dem Land erleichtern.“
Gründerszene unterstützen
Um eine bessere Vernetzung und Kommunikation für Gründerinnen und Gründer warb Dr. Kathrin Brenker in ihrem Impulsvortrag. 2018 hat sie ihr Unternehmen opto biolabs in Freiburg gegründet und berichtete von ihren Erfahrungen. „Die Möglichkeiten, die es für Gründer gibt, müssen viel breiter kommuniziert werden. Vorhandene Einrichtungen wie das Gründerbüro in Freiburg bieten tolle Möglichkeiten, aber junge Gründerinnen und Gründer müssen davon mehr erfahren, um davon auch profitieren zu können. Nur so kann tatsächlich ein Technologietransfer stattfinden, der nicht an den Mauern der Forschungsinstitute endet“, so Brenker. Es sei gerade bei jungen Forscherinnen und Forschern viel Potenzial vorhanden, das gehoben werden müsse. „Dazu braucht es nicht nur die Wertschätzung und den Mut der jungen Doktorandinnen und Doktoranden, sondern auch funktionierende Strukturen und Netzwerke.“
So kann es funktionieren: mehr Kommunikation, mehr Netzwerke, weniger Regulation
Um eben diese Förderung von regionalen Kooperationen und Netzwerken ging es unter anderem in der anschließenden Podiumsdiskussion. Peter Neske von der Pfizer Pharma GmbH appellierte daher: „Wir haben hier in der Region Freiburg ideale Voraussetzungen, um dieses Ökosystem noch mehr mit Leben zu füllen. Wir brauchen eine gemeinsame Dachmarke, die die Partner noch enger und zielgerichteter in eine Zusammenarbeit bringt – zum Nutzen der Patientinnen und Patienten.“
Einig waren sich alle Sprecherinnen und Sprecher darüber, dass die regulatorischen Hürden für eine funktionierende Translation einer Anpassung bedürfen. „Datenschutz ist enorm wichtig. Aber der Fokus sollte mehr auf der Machbarkeit liegen als ausschließlich auf dem Risiko des Missbrauchs“, so Dr. Britta Lang. Prof. Wenz ergänzte: „Es ist bereits viel möglich in der Forschung, was sicher auch nicht immer bekannt ist. Trotzdem muss eine sinnvolle Nutzung der Gesundheitsdaten möglich gemacht werden, denn nur so behalten wir auch unseren Wettbewerbsvorteil und Patientinnen und Patienten können viel schneller von Ergebnissen profitieren. Daran muss die Politik gezielt arbeiten.“ Daher werde Translation in Zukunft noch besser gelingen, wenn Potenziale früher erkannt und gefördert würden, mehr Konsens und eine bessere Kommunikation sowie weniger regulatorische Hürden herrschten, so Wenz.