Drei Fragen an ...
... Felix K., Selbsthilfegruppe „Post Covid Freiburg“
Wer sich mit dem Coronavirus infiziert, hat möglicherweise mit längerfristigen Beschwerden zu kämpfen. Einer Modellrechnung der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge waren allein in Europa in den ersten beiden Jahren der Pandemie mindestens 17 Millionen Menschen von Long Covid betroffen. Häufige Symptome sind starke Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue), Kurzatmigkeit, Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns, Muskelschmerzen, psychische Probleme wie Depressionen oder Ängste, Sprachstörungen und Fieber. Möglich sind auch Langzeitschäden an Organen wie dem Herzen, der Lunge, der Niere oder dem Gehirn. In unserem Interview haben wir mit dem 32-jährigen Felix K., der an Long Covid erkrankt und Teil der Selbsthilfegruppe „Post Covid Freiburg“ ist, über seine Symptome, seinen Alltag und seine Wünsche gesprochen.
Seit wann leiden Sie unter Long Covid Symptomen und wie äußern sich diese Symptome?
Herr K.: Ich bin seit Anfang April 2022 betroffen. Mein Hauptproblem ist eine starke Erschöpfung gepaart mit Belastungsintoleranz. Dazu kommen Kopf- und Gliederschmerzen, Schlafschwierigkeiten, Stimmungsschwankungen, Herzrasen (POTS) sowie Konzentrationsschwächen und Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis.
Was bedeutet die Diagnose Long Covid für Sie? Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Herr K.: Die Krankheit bringt einen großen Verlust von Selbstständigkeit und Lebensqualität mit sich. Ich kann vielen Dingen nicht mehr nachgehen, die mein Leben ausgemacht haben. Sport, Konzerte, Ausgehen, meine Arbeit als Redakteur und DJ – all das ist nicht mehr möglich. An schlechten Tagen habe ich gerade genug Energie, um meine Grundbedürfnisse zu versorgen. Dann bin ich an meine Wohnung gebunden, fühle mich sehr krank, muss lange liegen. An guten Tagen kann ich auch mal rausgehen, Freunde treffen oder einen kurzen Spaziergang machen. Über all dem schwebt dann aber die Angst, sich zu überlasten. Denn das führt unweigerlich wieder zu einer Verschlechterung meines Zustandes. Diese sogenannte Post-Exertional Malaise (PEM) macht das Leben sehr anstrengend und schlecht planbar. Ständig muss man mit seiner Energie haushalten, überlegen, ob der Weg in den Keller vielleicht zu viel ist oder ein Treffen mit Freunden mit zwei Tagen Kopfschmerz bestraft wird. Ich versuche dennoch meinen Tagen so gut es geht Struktur zu geben. Yoga und Meditation helfen mir, zu entspannen. Außerdem versuche ich viel an der frischen Luft und so aktiv wie eben möglich zu sein.
Long Covid ist noch lange nicht abschließend erforscht. Was wünschen Sie sich als Betroffener für sich und andere, die unter Long Covid leiden? Wie ließe sich Ihre Situation verbessern?
Herr K.: Zuerst wünsche ich mir ein besseres Verständnis der Krankheit bei vielen Hausärzten. Sie sind die erste Anlaufstation. Ich will nicht alle über einen Kamm scheren und es gibt Mediziner, die sich mit der Krankheit beschäftigen. Doch viele meiner Mitbetroffenen – und auch ich – sind auf Unverständnis und Unwissen beim Hausarzt getroffen. Das liegt auch daran, dass bisher Biomarker fehlen und die Standard-Diagnostik unauffällig bleibt. So schieben einige Mediziner die Krankheit auf psychische Ursachen, auf Stress oder eine Depression. Dann wird zu mehr Sport oder Aktivität geraten. Das grenzt bei Menschen mit Post-Exertional Malaise fast schon an Körperverletzung. Eine Überlastung führt zur Verschlechterung der Symptome – oft dauerhaft. So wird mit der Krankheit im Frühstadium oft nicht richtig umgegangen und sie chronifiziert sich.
Ein weiteres Problem ist das fehlende Wissen bei Diagnostik und Behandlung. Long Covid ist sehr vielfältig, es gibt über 100 Symptome. Einige haben Probleme mit der Lunge – andere nicht. Bei einigen wird alles durch Überlastung schlimmer – bei anderen nicht. Bei einigen erledigt sich alles mit der Zeit von selbst – bei anderen nicht. Long Covid ist so divers, dass eine ausführliche Diagnostik nötig ist, um überhaupt den richtigen Umgang mit der eigenen Form der Krankheit zu bekommen. Doch auch hier werden Betroffene oft alleingelassen. Mühsam muss man sich im Internet zusammensuchen, was bei welchen Symptomen zu tun ist und was unbedingt vermieden werden sollte. Als Betroffener habe ich das Gefühl, durch das Raster des Gesundheitssystems zu fallen. Dabei gibt es Dinge, die getan werden können, um den Zustand zumindest zu stabilisieren, wenn nicht sogar langsam zu verbessern. Nur das Know-How scheint mir nicht in allen Arztpraxen, Krankenhäusern und Reha-Kliniken angekommen zu sein.
Zuletzt wünsche ich mir, dass mehr Geld für Forschung bereitgestellt wird. Natürlich fließen bereits erste Gelder. Angesichts der Gesamtausgaben für die Pandemie, dem volkswirtschaftlichen Schaden durch hunderttausende Betroffene und dem persönlichen Leid der Kranken ist das aber noch viel zu wenig.