Drei Fragen an ...
... Johannes Bauernfeind, Vorsitzender AOK Baden-Württemberg
Umweltschutz ist Gesundheitsschutz. Denn für die Gesundheit des Menschen ist eine intakte Umwelt von entscheidender Bedeutung. Die steigende Erderwärmung sowie veränderte Klima- und Witterungsbedingungen führen dazu, dass sich beispielsweise Infektionskrankheiten stärker ausbreiten und die Menschen häufiger Allergien entwickeln. In einer Studie haben die AOK Baden-Württemberg und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) den Einfluss von Umweltfaktoren auf die Zahl der Grippe-Fälle im Land untersucht. Mit Johannes Bauernfeind, dem Vorstandsvorsitzenden der AOK Baden-Württemberg, haben wir über die Ergebnisse der Studie gesprochen.
Herr Bauernfeind, die AOK Baden-Württemberg hat Ende 2022 eine gemeinsame Studie mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zum Einfluss von Umweltfaktoren auf die Gesundheit veröffentlicht. Die Studienergebnisse wurden in der international renommierten Fachzeitschrift Environmental Health publiziert. Was wurde in der Studie genau untersucht und was waren die wichtigsten Ergebnisse?
Herr Bauernfeind: Mit der Kooperation von DLR und AOK Baden-Württemberg wurden in einer wissenschaftlichen Studie erstmals flächendeckend Zusammenhänge zwischen Umweltfaktoren und Gesundheitsdaten untersucht. Die statistische Modellierung konnte dabei einen signifikanten Effekt von Feinstaub und Temperatur auf die Grippe-Inzidenz nachweisen. Das Risiko an Grippe zu erkranken ist nach den Hochrechnungen in Regionen mit der höchsten beobachteten Feinstaubbelastung doppelt so hoch wie in Regionen mit den niedrigsten Feinstaubwerten. Noch größer als beim Feinstaub ist der Einfluss der Temperatur auf die Grippeerkrankungen: Nach den statistischen Berechnungen ergibt sich bei den niedrigsten Temperaturen ein rund 8-fach höheres Risiko für eine Grippeinfektion als bei den höchsten Temperaturen im Betrachtungszeitraum.
Inwiefern sind diese Ergebnisse für die AOK Baden-Württemberg von Bedeutung? Welche Konsequenzen leiten Sie daraus ab?
Herr Bauernfeind: Die Datengrundlage belegt einmal mehr die hohe Bedeutung von Nachhaltigkeit für unsere Gesundheit – Klimaschutz ist Gesundheitsschutz. Die wissenschaftliche Studie liefert wichtige Erkenntnisse und erlaubt uns perspektivisch eine individuellere Gesundheitsversorgung, Vorsorge und Prävention für die Menschen im Land. So können die Ergebnisse in bestehenden Versorgungsformen, zum Beispiel unserem AOK-Hausarzt- und -Facharztprogramm aber auch in der Regelversorgung, implementiert und ausgestaltet werden.
Planen Sie weitere Studien dieser Art? Und was ist dabei Ihr Ziel bzw. Ihre Vision?
Herr Bauernfeind: Die Kombination von Erdbeobachtung und Krankenversicherungsdaten bietet viele Möglichkeiten. Für uns als Gesundheitskasse ist es wichtig, die Auswirkung von Umwelt- und Klimaeinflüssen auf die Gesundheit im Detail zu kennen, denn mit diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen können wir mittel- und langfristig Prävention und Versorgung der Versicherten individueller gestalten und weiter verbessern. Influenza ist das erste untersuchte Krankheitsbild bei der langfristigen Zusammenarbeit von AOK Baden-Württemberg und DLR. Weitere Studien für andere Krankheitsbilder, beispielsweise Atemwegs-, Kreislauf-, Haut- und Stoffwechselerkrankungen, werden folgen.