Ambulante Gesundheitsversorgung
Unterversorgung? Abbau von Überversorgung? - Wie beeinflusst die COVID-19-Pandemie Prozesse und Qualität der ambulanten Versorgung?
Die Corona-Pandemie beansprucht die verschiedenen Versorgungsprozesse unseres Gesundheitssystems auf unterschiedliche Art und Weise. Im stationären Bereich wurden beispielsweise weniger Unfälle und Verletzungen, aber auch weniger Nicht-Covid-Atemwegserkrankungen registriert, was teilweise mit den Kontaktbeschränkungen und reduzierten Mobilität bzw. mit intensiveren Hygienemaßnahmen erklärt werden kann. Die Rückgänge bei Herzinfarkten und Schlaganfällen weisen hingegen eher darauf hin, dass Patient*innen nicht oder verspätet Rettungsdienste oder Notaufnahmen in Anspruch nahmen. Entsprechende Analysen hinsichtlich der ambulanten Versorgung fehlen bislang.
Das vorliegende Projekt hat das Ziel, Veränderungen in der ambulanten Versorgung während der Covid-19 Pandemie zu erkennen und deren Ursachen zu verstehen. Durch Analyse der Versorgungsprozesse über die Zeitspanne der Pandemie und Vergleiche mit den Vorjahren sollen Bereiche einer möglichen Unterversorgung und solche einer bestehenden Überversorgung erfasst werden. Nachteilige Effekte sollen damit zukünftig vermieden und Versorgungsprozesse in Zeiten von Pandemien und darüber hinaus optimiert werden können.
In der ersten Projektphase werden Erfahrungen und Perspektiven unterschiedlicher Versorger (Ärzte, Pfleger, Rettungsdienste, Physiotherapeuten) im Rahmen von Interviews abgefragt. Anhand diverser Indikatoren werden in der zweiten Phase aus digital zur Verfügung gestellten anonymen Abrechnungsdaten der Krankenkassen, konkrete Versorgungsprozesse abgebildet. Die Analyse der Pandemie-bedingten Veränderungen erfolgt in Kooperation mit dem Institut für Klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie der Universität Tübingen. Aus den Veränderungen der ambulanten Versorgungsprozesse lassen sich Rückschlüsse auf die Ursachen ziehen, zum Beispiel: Verhaltensänderungen, welche die Krankheitsinzidenzen beeinflussen, die verminderte Inanspruchnahme von Leistungen entweder aus Angst vor Ansteckungen oder durch verschlechterten Zugang sowie regulatorische Vorgaben, die den Zugang zur Versorgung beeinflussen. Die Analyse trägt dazu bei, nachteilige Effekte in Zukunft zu vermeiden.
Auf der Grundlage der in dem Projekt erhobenen validen Daten können für Patient*innen und andere Personengruppen konkrete Handlungsoptionen in der ambulanten Versorgung abgeleitet werden, wie zum Beispiel eine Einordnung von Beratungsanlässen und Krankheiten (im Sinne einer Unterversorgung) bei besonders von der Pandemie betroffenen Versorgungsprozessen. Spezifische Kommunikationsstrategien für besonders gefährdeten Personengruppen können entwickelt und Aufklärungskampagnen intensiviert werden. So leistet das Projekt einen wesentlichen Beitrag, um geeignete Maßnahmen zur Optimierung der ambulanten Versorgung in der Pandemie und darüber hinaus zu ergreifen.