Digitale Neuromedizin
Personalisierte neurorehabilitative Präzisionsmedizin: Von Daten zu Therapien
Die Neurologie ist in der Medizin das Fach mit einer hohen Entwicklungsdynamik für neue wirksame Therapien. Erkrankungen des Gehirns verursachen nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation mehr als ein Drittel aller Gesundheitskosten, Tendenz steigend. Immer wichtiger für erfolgreiche innovative Therapien wird das Konzept der Präzisionsmedizin. Bis vor kurzem dachte man, dass symptombasierte Diagnosen (z. B. Schlaganfall) eine singuläre Entität ausmachen. Jetzt weiß man, dass sich symptombasierte Diagnosen durch Biotypisierung in Subgruppen (Cluster) aufschlüsseln lassen. Cluster sind der entscheidende Ausgangspunkt für Prognoseabschätzung und personalisierte Therapien. Biotypisierung in der Akutphase nach einem Schlaganfall nutzt vor allem klinische, bildgebende und elektrophysiologische Daten. Diese erlauben die Charakterisierung der Schädigung und des residuellen Hirnnetzwerkes. Diese Daten entscheiden über die Stratifizierung individueller Patienten und Patientinnen in personalisierte Rehabilitationstherapien (z. B. Physio- und Ergotherapien, Logopädie, Roboterassistierte Therapien, Pharmakotherapien, nicht-invasive Hirnstimulation).
Das beantragte Projekt soll exemplarisch Präzisionsmedizin für Rehabilitation nach einem Schlaganfall entwickeln. Es adressiert paradigmatisch die drei zentralen Themenfelder der Ausschreibung: Digitalisierung und Integration klinischer, bildgebender und elektrophysiologischer Daten zur strukturellen und funktionellen Charakterisierung des geschädigten Gehirns; Translation von der Biotypisierung zur personalisierten Therapie; und Weiterentwicklung der akademischen Ausbildung: Im Projekt sollen Clinician Scientists (Ärzte und Ärztinnen mit Interesse an wissenschaftlicher Ausbildung) und Medical Scientists (Naturwissenschaftler und Naturwissenschaftlerinnen mit Interesse an medizinischer Ausbildung) in einer Akademie zusammengefasst werden und sich über das Projekt als wichtige Personalressource für die zukünftige „Digitale Neuromedizin“ qualifizieren.
Ziel ist die signifikante und relevante Verbesserung des Rehabilitationserfolges nach einem Schlaganfall, d. h. die Wiederherstellung von sensomotorischen, kognitiven und Sprachfunktionen. Das Projekt wird die personalisierte Rehabilitationsmedizin nach einem Schlaganfall modellhaft Baden-Württemberg-weit vernetzen: die klinischen, bildgebenden und elektrophysiologischen Daten von bis zu mehreren tausend Schlaganfallpatienten pro Jahr werden biotypisiert, integriert und mit Ansätzen des maschinellen Lernens analysiert. Hieraus abgeleitete personalisierte Therapiekonzepte werden für jeden individuellen Patienten an die Rehabilitationskliniken weitergeleitet. Die Therapieerfolge werden standardisiert dokumentiert und rückgekoppelt. Maschinelles Lernen analysiert diese Feedback-Daten und führt im Sinne von Closed-Loop Ansätzen zu weiterer Optimierung personalisierter Therapien. Das ist besonders fortschrittlich, da nicht nur bereits bekannte Zusammenhänge, sondern auch vorhergesagte Daten für die Therapieoptimierung individueller Patienten und Patientinnen genutzt werden.
Projektpartner:
Universität Tübingen
- Hertie-Institut für klinische Hirnforschung
- Interfakultäres Institut für Biomedizinische Informatik
- Exzellenzcluster Maschinelles Lernen
Mit Beteiligung von:
- Kliniken Schmieder (Standorte Allensbach und Konstanz)
- SRH-Kliniken (Standorte Bad Wimpfen, Karlsbad-Langensteinbach, Bad Dobel, Waldbronn)
- Zentrum für Klinische Studien, Universitätsmedizin Tübingen