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Erfolgsfaktoren einer OP richtig einschätzen

Der sogenannte „Kognitive medizinische Assistent“ zeigt mithilfe von Künstlicher Intelligenz die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen bei chirurgischen Operationen auf. Mit dieser Datengrundlage können Medizinerinnen und Mediziner viel besser klinische Entscheidungen treffen.

Häufige Komplikationen während oder nach OPs

Operationen sind heute so sicher wie nie: Zum einen haben sich die OP-Techniken verbessert, zum anderen ist die begleitende Betreuung umfassender als beispielsweise vor 20 Jahren. Dennoch treten bei vielen OP-Patienten teils gravierende Komplikationen auf: Nachblutungen, Thrombosen und Wundinfekte oder auch Herzinfarkte oder Niereninsuffizienzen gehören dazu. Noch werde nicht ausreichend verstanden, wie und warum es bei manchen Patienten zu solchen Komplikationen komme, sagt Dr. Jan Larmann, Leitender Oberarzt der Universitätsklinik für Anästhesiologie in Heidelberg. Dabei wäre gerade das hilfreich: Patienten mit einem besonders hohen Risiko könnten vor der OP erkannt und besser geschützt werden.

Der Schlüssel zu einer besseren Versorgung, so Larmann, liege in den Patientinnen und Patienten selbst. Hören Sie mehr dazu in seinem Audio-Statement.

Die Daten brauchen erst eine Struktur

Seit März 2020 arbeitet Anästhesist Larmann gemeinsam mit Heidelberger Wissenschaftlern an der Entwicklung eines „Kognitiven Medizinischen Assistenten (KoMed)“, der die im Umfeld von Operationen generierten Daten systematisch erfassen und mit Hilfe von Algorithmen auswerten soll: „Mich motiviert das Wissen, das wir jetzt zum ersten Mal in der Geschichte der Medizin die technischen Möglichkeiten und die notwendigen Rechenkapazitäten haben, um die Fülle der verfügbaren Informationen wirklich umfassend zu analysieren.”

Medizinische Informationen strukturieren

Doch um aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen, müssen zunächst Vorkehrungen getroffen werden: Die medizinischen Informationen in Krankenhäusern sind oft archivarisch gespeichert, aber nicht so, dass man sie einfach miteinander vergleichen könnte. Das ist aber nötig, um bestimmte Zusammenhänge zu erkennen. Deshalb überführen die IT-ExpertInnen des Universitätsklinikums Heidelberg alle wesentlichen Daten zunächst in ein strukturiertes Format, was eine Analyse später erlaubt. Auch die Serverkapazitäten werden dafür weiter aufgebaut. Zudem arbeiten die Entwickler an einer App, die die Interaktion zwischen Arzt und Patient außerhalb des Krankenhauses erleichtern soll.

Erste Studie mit 600 Teilnehmern

Zum ersten Mal zum Einsatz kommt der KI-Ansatz an der Chirurgischen Universitätsklinik in Heidelberg: Hier führen das Studienzentrum der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie eine klinische Studie an 600 Patienten durch, die sich Hochrisiko-Operationen wie größeren Baucheingriffen oder gefäßchirurgischen Operationen unterziehen. Dabei werden vor allem Routinedaten wie Laborwerte, radiologische Bilder, EKGs oder Lungenfunktionswerte erfasst, die das Institut für Medizinische Biometrie und Informatik mittels Big Data analysiert.

Tiefgehende Analyse mithilfe von Partnern

Das Besondere: Auch aktuelle Daten aus dem OP-Geschehen werden erfasst. „Während einer Operation passieren viele einzelne Schritte, die dazu führen, dass sich das Risiko des Patienten verändert“, erläutert Larmann. Durch Unterstützung der Philips Medizin Systeme Böblingen GmbH, die Monitoring-Systeme herstellt, wird die fortlaufende, strukturierte Speicherung von beispielsweise Blutdruck, EKG und Sauerstoffsättigung ermöglicht. Nachfolgend können dann die gesamten Messkurven, das heißt, die Veränderungen und nicht nur Einzelwerte, analysiert werden.

Digitale Bilder analysieren

Weitere Kooperationspartner sind die KARL STORZ SE & Co. KG, deren Endoskope digitale Bilder liefern, und die Mint Medical GmbH, die radiologische Bilder so verarbeitet, dass sie für Big Data-Analysen genutzt werden können. Postoperativ werden die Patientinnen und Patienten drei Monate lang beobachtet.

Das Ziel: Muster erkennen, Patienten schützen

Nach Ende der Studie soll der „Kognitive Medizinische Assistent“ aus all den Daten Muster erkennen und Zusammenhänge aufdecken können: Welche Patienten mit welchen Werten erlitten welche Komplikation? Welche Rolle spielten dabei einzelne Schritte während des Eingriffs? Daraus, so die Hoffnung, lassen sich Prophylaxe-Strategien für künftige Operationen entwickeln und Risiken während der Eingriffe besser abschätzen. Dieses Analyseverfahren könnte zudem auch über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus angewendet werden. Jan Larmann ist zuversichtlich, wie er im folgenden Audio-Staement erklärt.

KOMED auf YouTube:


Bildnachweise: Dr. Jan Larmann: FGSBW/Uniklinikum Heidelberg; OP1: FGSBW/Uniklinikum Heidelberg; OP2: FGSBW/Philips Medizin Systeme Böblingen GmbH; Bildanalyse: FGSBW/Mint Medical GmbH

Seiten-Adresse: https://www.forum-gesundheitsstandort-bw.de/themen/daten-digitalisierung/erfolgsfaktoren-einer-op-richtig-einschaetzen