Zelltherapeutika vor Ort herstellen
Wie lassen sich neuartige Zelltherapeutika weniger aufwändig und kostengünstiger als heute, aber mit hoher Qualität vor Ort im Krankenhaus herstellen? Als Kooperation von Krankenhaus, Uniklinikum und Pharmaunternehmen werden im Projekt ProCell dezentrale Produktionseinheiten entwickelt, die langfristig Spitzenbehandlungen bei allen Patientinnen und Patienten ermöglichen.
Tumorerkrankungen: Hoffnung liegt auf Therapie mit CAR-T-Zellen
Mehr als 430.000 Menschen erhalten weltweit jährlich die Diagnose Blutkrebs. Weitere 500.000 erkranken weltweit an Non-Hodgin-Lymphomen, bösartigen Erkrankungen des lymphatischen Systems. Darunter sind viele Formen, bei denen Chemotherapie und Stammzellspende versagen. „Rund ein Viertel dieser vortherapierten Patienten können von einer Therapie mit CAR-T-Zellen profitieren“, erläutert Prof. Dr. med. Michael Schmitt, Leiter der GMP-Core-Facility am Universitätsklinikum Heidelberg.
Mit körpereigenen Zellen Krebs bekämpfen
Dabei werden körpereigene Immunzellen der Patientinnen und Patienten gentechnisch so verändert, dass sie mit speziellen Rezeptoren ausgestattet werden und anschließend als CAR-T-Zellen die Krebszellen gezielt angreifen und vernichten können. Zwar können heute schon viele Unikliniken diese hoch-spezifischen CAR-T-Zelltherapeutika herstellen, doch laufen die Produktionsprozesse – da abgeleitet aus der Forschung – noch sehr manuell ab, sind dadurch zeitaufwändig und kostspielig.
Längst überfällig: automatisierte CAR-T-Zelltherapeutika-Produktion
„Die Automatisierung der CAR-T-Zelltherapeutika-Produktion ist längst überfällig. Nicht nur aus Kosten- und Qualitätsgründen. Sie wird künftig den Innovationsprozess erleichtern“, sagt Prof. Dr. Walter E. Aulitzky, Chefarzt der Abteilung Onkologie, Hämatologie und Palliativmedizin am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart und Partner im Projekt ProCell. Hinzu komme: Oft würden die Zellen in industriellen Zentren, zum Teil in Übersee und damit fern der Patienten hergestellt.
„ProCell for Patient”-Anlage
Im Rahmen des ProCell-Projekts wird nun eine dezentrale, automatisierte Anlage, die sogenannte „ProCell for Patient”-Anlage, entwickelt. „Unser Ansatz ist es, durch Automatisierung dieser Herstellungsprozesse es Forschungseinrichtungen zu ermöglichen, selbst Zelltherapien weiterzuentwickeln und damit einerseits die Forschung auf diesem Gebiet zu beschleunigen und andererseits diese neuen Therapieformen näher an die Betroffenen zu bringen", sagt Prof. Dr. Walter E. Aulitzky, Chefarzt der Abteilung Onkologie, Hämatologie und Palliativmedizin am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart, Projektpartner ProCell. Mehr dazu erfahren Sie in seinem Audio-Statement.
Automatisierte Anlage reduziert Aufwand deutlich
"Die patientennahe Herstellung von Zelltherapien wird dazu beitragen, allen Betroffenen diese Therapieformen zur Verfügung stellen zu können”, ist sich Aulitzky sicher. Zudem könnte eine solche Anlage helfen, die Stundenzahl, die qualifiziertes Personal heute mit der Herstellung von CAR-T-Zellen beschäftigt sei, um mindestens 50 Prozent zu reduzieren, erläutert Jürgen Rothbauer, Geschäftsführer beim Projektpartner Optima Pharma.
Vorführmodell aufgebaut
Inzwischen haben die Forschenden ein Vorführmodell der Anlage aufgebaut – im Maßstab 1:1 – das ab Sommer 2022 im Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart zu sehen sein wird. Doch die Entwickler denken bereits weiter: „Im Moment ist geplant, dass unsere Anlage Anfang 2023 technisch abgenommen werden kann“, sagt Rothbauer. Die ersten Testläufe mit humanem Testmaterial sind für das dritte Quartal 2023 angesetzt. Für Rothbauer ein wichtiger Meilenstein in der Versorgung mit innovativer Präzisionsmedizin: „Für die maßgeschneiderte Behandlung tausender betroffener Krebspatientinnen und -patienten wird dann ein neues Kapitel aufgeschlagen.“